„Dieser Lärm ist ja nicht zum Aushalten!“ Diesen Ausruf kennen wahrscheinlich alle Menschen, die an Hyperakusis leiden. Trotz einiger Hilfsmittel gibt es für die Krankheit keine wissenschaftlich zuverlässige Therapie-Form. Zudem ist die Erkrankung in unserer Gesellschaft leider noch nicht wirklich akzeptiert. Das zeigt insbesondere der Fall der 16-jährigen Michelle sehr deutlich , die aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr die Schule besuchen darf und um ihre Zukunft kämpfen muss…


 Informationen zur Krankheit

  • Bezeichnung: Hyperakusis
  • Typ: krankhafte Überempfindlichkeit des Hörorgans gegenüber Schall
  • ICD-Codes: H93.2

Hyperakusis – Was ist das?

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Hyperakusis ist ein Begriff aus dem Griechischen: hyper bedeutet „über“ und akuo heißt „ich höre“. Man versteht darunter also eine krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Tönen und Schall. Betroffene empfinden diese als unangenehm laut. Es wird gerne mit Hypakusis beziehungsweise Hypoakusis, also der Schwerhörigkeit, verwechselt.

Bei Hyperakusis haben Betroffene Probleme mit alltäglichen Geräuschen, wodurch Nervosität, Angst- und Panikzustände und auch Schmerzen entstehen können. Normale Geräusche werden einfach als viel zu laut empfunden. Alltägliche und banale Dinge wie Stimmen von Menschen, Bellen von Hunden, Klingeln von Telefonen oder der Straßenverkehr können als unerträglich im Ohr wahrgenommen werden.

Auch schon kleine Kinder betroffen?

Auch Babys und Kleinkinder können von betroffen sein. Jedoch ist dies nicht einfach von Medizinern zu diagnostizieren, da sich Kleinkinder noch nicht entsprechend artikulieren können.

Wo liegt der Unterschied zu Hyperakusis dolorosa?

Im Gegensatz zu normaler Hyperakusis, bei der die Geräusche nur als unangenehm empfunden werden, werden die meisten Geräusche bei der Hyperakusis dolorosa als schmerzhaft wahrgenommen.

Ursachen für Hyperakusis

Hyperakusis kann aus derselben Ursache wie und zugleich mit anderen Krankheiten entstehen.

Folgende Gründe können vorliegen:

  • Auftreten mit einem Tinnitus
  • krankhafte Empfindlichkeit gegenüber lautem Schall (trotz Vorhandensein einer normalen oder annähernd normalen Hörschwelle)
  • Phonophobie (nur bestimmte, negativ besetzte Geräusche werden als unangenehm bis unerträglich laut empfunden)
  • Ausfall des Stapediusreflexes wegen einer Gesichslähmung
  • nach einer Operation wegen Otosklerose (Steigbügel wird durch eine Prothese ersetzt und die Funktion des Musculus stapedius kommt nicht mehr zur Wirkung)

Mögliche organische Krankheitsbilder:

  • Hörschäden
  • Verletzung
  • Ausfall der großen Gesichtsnerven
  • Vorzeichen der Migräne
  • bestimmte Epilepsieformen
  • Nebenwirkungen von Medikamenten

Medikamente können ebenfalls ein Auslöser sein. Es gibt Medikamente, die für die Ohren schädlich sind. Im Beipackzettel steht dann bei Nebenwirkungen oder unerwünschten Begleiterscheinungen:

  • haarzellschädigend
  • hörzellschädigend
  • Hörverlust
  • ototoxisch (giftig für die Ohren)
  • Tinnitus

Depression & Stress als Auslöser

Hyperakusis kann als Symptom einer anderen Erkrankung auftreten, die nicht unbedingt körperlicher Natur sein muss. Oftmals steht es auch in Verbindung mit psychischen Problemen, wie beispielsweise Dauerstress, Angstzuständen, Depressionen, Burnouts.

AUFGEDECKT! – Mädchen mit Hyperakusis kämpft um ihre Zukunft!

Bei unserer Recherche entdecken wir einen interessanten Bericht über Michelle Steinberg aus Niedersachsen. Das 16-jährige Mädchen darf seit drei Jahren nicht mehr zur Schule gehen.

Bei ihr wurde Hyperakusis diagnostiziert. Für sie wurden alltägliche Geräusche, auch in der Schule, zum wahren Albtraum. Das Umblättern von Heftseiten oder das Fallen eines Bleistiftes nahm sie als unerträgliche Geräusche in den Ohren wahr. Michelle war es nicht mehr möglich, sich auf gestellte Aufgaben zu konzentrieren oder dem Unterrichtsstoff zu folgen.

Bis zur ihrer Diagnose wurde sie von Schülern gemobbt und auch nicht von ihren Lehrern entsprechend unterstützt. Ganz im Gegenteil – sie wurde vom Besuch einer Regelschule ausgeschlossen. Den Besuch einer Online-Schule via Skype können sich die Eltern nicht leisten und das Sozialamt ist bis dato nicht bereit die Kosten in Höhe von 800 Euro zu übernehmen.

Ist Hyperakusis heilbar? – Behandlung & Therapie

Hyperakusis kann je nach Ursache behandelt werden. Folgende Therapiemöglichkeiten stehen zur Verfügung:

  • Tinnitus-Retraining-Therapie
  • Verhaltenstherapie (Lärm-Stress- beziehungsweise Lärm-Schmerz-Therapie)
  • ausreichend akustische und psychische Ruhe
  • Psychotherapie
  • Rauschtherapie

Wie kann ein Noiser helfen?

Bei einer Therapie von Hyperakusis können individuell auf den Hörbefund nach Diagnose eingestellte Noiser eingesetzt werden. Noiser bieten ein leises, akustisches breitbandiges Rauschen, welches vom Benutzer selbst eingestellt werden kann.

Noiser sind kleine Geräte, die hinter dem Ohr getragen werden. Sie sollen helfen, Geräusche nicht mehr so störend zu empfinden. Noiser werden von spezialisierten HNO-Ärzten verschrieben. Noiser werden bei der Behandlung einer Hyperakusis täglich so lange wie möglich getragen. Der Zeitraum beträgt zwischen zwei und 14 Monaten.

Noiser sollten in einer ruhigen Umgebung beispielsweise im Haushalt, beim Kochen oder Fernsehschauen sowie bei Gesprächen mit wenigen Mitmenschen, beim Lesen oder bei Handarbeiten getragen werden. Ebenso kann der Noiser an Orten getragen werden, an denen es für betroffene Personen unangenehm laut ist.

Können homöopathische Mittel helfen?

Wie so oft stellen wir bei unseren Recherchen fest, dass homöopathische Methoden umstritten sind. Gerade bei Hyperakusis kann zwar Homöopathie eingesetzt werden, jedoch fallen die Heilerfolge sehr unterschiedlich aus. Bei Tinnitus gibt es jedoch homöopathische Mittel, die Abhilfe schaffen können.

Gibt es spezialisierte Kliniken zur Behandlung von Hyperakusis?

Eigene Kliniken für Hyperakusis-Patienten gibt es bisher noch nicht. Aber Nervenärzte und HNO-Mediziner haben sich auf das Krankheitsbild spezialisiert. Dabei steht oft eine neurootologische Beratung im Vordergrund.

Dies ist eine detaillierte, mitunter mehrwöchige Beratung des Patienten durch einen Facharzt, der über die Ursachen und Zusammenhänge der Geräuschempfindlichkeit aufklärt und entsprechende Behandlungsmethoden informiert.

Folgen der Erkrankung – Soziale Isolation?

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Es ist nicht nur so, dass bei einer Hyperakusis Betroffene an einer unangenehmen Geräuschempfindlichkeit leiden, sondern auch soziale Kontakte eingeschränkt werden. Mit Freunden in den Urlaub fahren, mit Arbeitskollegen auf ein Feierabend-Bier in die Kneipe, gemeinsames Abendessen mit der Familie oder auch Einkaufen gehen kann für Betroffene zum Horror werden.

In dem Bericht der Fernsehsendung „Odysso“ (SWR) wird berichtet, dass ein Kassenscanner im Supermarkt bereits eine unangenehme Frequenz in den Ohren herbeiführen kann. Die Geräuschempfindlichkeit kann für Betroffene, aber auch für den Partner und Mitmenschen zu einer echten Belastung werden.

Update (11.01.2019):
Derzeit ist das Video der NDR-Sendung leider nicht mehr abrufbar. Wenn das Video zu einem späteren Zeitpunkt wieder hochgeladen werden sollte, werden wir es selbstverständlich an dieser Stelle wieder für Sie einbauen. Sollten Sie das Video entdecken, zögern Sie nicht, uns einen Hinweis in den Kommentare unter diesem Beitrag zu geben. Vielen Dank!

LESER HELFEN LESERN

Wenn Sie bereits Erfahrungen gemacht haben mit der Erkrankung Hyperakusis, so lassen Sie es uns & die Leser wissen. Nutzen Sie die Kommentarfunktion unter diesem Beitrag und tauschen Sie sich mit anderen Betroffenen aus.
Wir freuen uns auf Ihren Beitrag!

Hyperakusis-Test auch online durchführen?

Ja, es besteht die Möglichkeit auch selbstständig einen Online-Test durchzuführen, um festzustellen, ob man unter einer Hyperakusis leidet. Diese Tests im Internet zeigen an, ob eine Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis) besteht.

Fazit

Wenn Sie feststellen, dass Ihnen viele Dinge im Alltag als zu laut erscheinen, dann handeln Sie. Leider sind Menschen mit Hyperakusis in der Gesellschaft noch nicht so akzeptiert, da die Erkrankung wenig erforscht und auch nicht sehr verbreitet ist. Der HNO-Arzt kann Ihnen eine genaue Diagnose stellen und somit auch eine passende Therapieform empfehlen.


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